Mehr als jedes fünfte Kind unter 18 Jahren ist einer Analyse der Bertelsmann-Stiftung zufolge im vergangenen Jahr in Deutschland von Armut bedroht gewesen. Es handelt sich um 2,88 Millionen Mädchen und Jungen. „Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, leidet täglich unter Mangel, Verzicht und Scham und hat zugleich deutlich schlechtere Zukunftschancen“, sagte Bertelsmann-Expertin Anette Stein gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Stiftung warnte davor, dass die Preissteigerungen in der aktuellen Krise das Problem noch verschärfen.
Als armutsgefährdet gelten Kinder und Jugendliche in der Studie, wenn ihre Familie über weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens (Median) verfügt. Zudem gebe die Zahl der Kinder in Haushalten, die Sozialleistungen beziehen, Hinweise zum Armutsrisiko. Diese Gruppe sei zum ersten Mal seit fünf Jahren deutlich gewachsen: So hätten vergangenen Sommer etwa 1,9 Millionen Minderjährige in Haushalten mit Sozialleistungen gelebt. Die Zunahme sei vor allem auf die aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen zurückzuführen, erklärte die Stiftung. Insgesamt gesehen seien Kinder mit alleinerziehenden Eltern sowie mit zwei und mehr Geschwistern überdurchschnittlich von Armut betroffen.
Aufgezeigt werden auch starke regionale Unterschiede: Während im bayerischen Roth die Quote der betroffenen Kinder nur bei knapp drei Prozent lag, waren es im nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen fast 42 Prozent. Auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Essen, Dortmund, Hagen, Herne oder Duisburg fiel die Quote mit 30 Prozent überdurchschnittlich hoch aus. Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag forderte deshalb einen Masterplan zur Bekämpfung der Kinderarmut, die schwarz-grüne Landesregierung müsse umgehend handeln.
Aber auch 1,55 Millionen junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren sind von Armut bedroht. Das entspricht etwa jedem Vierten in dieser Gruppe, die somit das höchste Armutsrisiko aller Altersgruppen aufweist. Die Quote zeige, dass verschiedene Maßnahmen für junge Erwachsene wie Bafög oder Wohngeld nicht gut zusammenwirkten, kritisierte Stein. „Ohne Unterstützung durch ihre Eltern wäre es vielen nicht möglich, ihre Existenz zu sichern. Damit hängen die Chancen junger Menschen weiterhin zu stark vom Elternhaus ab.“